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Aus der Einleitung
Aus Konservative "Geschichtspolitik"
Aus Das polytechnische Bildungsprinzip
Aus Zur Bildenden Kunst in der DDR
Zu "SERO": Mobilisierung der Bevölkerung für den Umweltschutz
Aus Arbeitswelt als Lebenszentrum
Aus Von der LPG zur Agrargenossenschaft: Eine positive Entwicklung?
Aus Polikliniken in der DDR. Ein vorbildliches gesundheitspolitisches Modell

Aus der Einleitung

Mit Recht hat der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reinhard Höppner eine ernsthaftere Beachtung... DDR-Sozialgeschichte gefordert und zugleich heftig die Einäugigkeit vieler Sozialwissenschaftler... beklagt: Viele neigen dazu, ... "alles Schlimme - und davon gab es reichlich - zusammenzutragen ... Die sonst unter Historikern übliche Frage bei der Bewertung einer historischen Epoche, was trotz außerordentlich schlechter Bedingungen auch positiv geleistet wurde, trat dagegen in den Hintergrund."3 Für Höppner ist klar ...: "Die ein paar Jahre nach der Wende getroffene Einschätzung westdeutscher Politologen, Deutschland müsse sich weder wirtschaftlich noch sozial noch politisch substanziell verändern, da in der DDR eine verwertbare eigene politische und kulturelle Substanz völlig fehlte, ist eine katastrophale und folgenreiche Fehleinschätzung."
...
Wir haben die Arbeiten (die in diesem Sammelband[= *] und einem Ergänzungsband erscheinen) den Themenschwerpunkten Kultur/Literatur/Kunst; Bildung/Erziehung; Partizipation; Recht; Sozialpolitik; Ökonomie zugeordnet:
Kultur allgemein; Literatur; Kunst:


- Gesellschaftliche Bedeutung von Literatur
- Zur Ästhetik in der DDR
* Zum Realismus in der bildenden Kunst der DDR
- Laientheater; Arbeiter-Theater
- Die Singebewegung in der DDR
- Rock und Jazz in der DDR
- Überwindung der Mode in der Mode
Bildung/Erziehung
- Zur Vorschulerziehung in der DDR
- Soziale Einrichtungen für Kinder und Jugendliche
- Zum Charakter und zur Leistungsfähigkeit des Schulwesens in der SBZ/DDR
* Polytechnische Didaktik in der Oberstufe
- Betriebspädagogik in der DDR
Partizipation
- Größere Unabhängigkeit und gesellschaftliche Partizipation von Frauen
- Die Mach-Mit-Bewegung
- Mitbestimmungs-Ansätze an DDR-Universitäten; Erfahrungen an der Humboldt-- -
- Universität
Recht
* Das Zivilgesetzbuch der DDR
- Die Schiedsgerichtsbarkeit
- Strafrecht und Kriminalitätsbekämpfung
Sozialpolitik
- Soziale Sicherheit und Sozialpolitik in der DDR: Praxis, Theorie und politische Ak
zeptanz -
- Grundzüge der Sozialversicherung
- Der Arbeitsschutz in der DDR
* Polikliniken; ambulante medizinische Betreuung in der DDR
Wirtschaft
* VEB Sekundärrohstofferfassung (SERO); die Realisierung vor Ort
* Die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in der DDR
* Zur Situation der Werktätigen in der Arbeitsorganisation


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Aus Konservative "Geschichtspolitik"
Amelie Kutters Beitrag ist ein Beweis für die Notwendigkeit dieses Sammelbandes: Die Autorin zeigt exemplarisch, wie es zu einer konservativ-westdeutschen Behandlung der DDR-Geschichte kommt, die sich stark auf die repressiven Elemente der Staatspolitik konzentriert und vieles ausblendet oder negativ besetzt, was es an beachtenswerten humanitären Leistungen gab. Mit Recht verwendet Kutter für ein solches Verfahren den aus der Geschichtswissenschaft stammenden Begriff der "Geschichtspolitik"...
Die vielbändigen Hervorbringungen der "Enquête-Kommissionen" des Bundestags zur "Überwindung der Folgen der SED-Diktatur" sind ein herausragendes Produkt solcher Geschichtspolitik...

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Aus Das polytechnische Bildungsprinzip
Auch die gesamtdeutsche Gesellschaft und die - aus vielen Gründen - dringend notwendige Reform ihres Bildungssystems ... sollte in Zukunft die vielfältigen Erfahrungen, die bei der polytechnischen Bildung in der DDR gesammelt wurden, nicht ignorieren.... Ein in betrieblichen Zusammenhängen stattfindender Unterricht muß den Schülern aller Schularten der Sekundarstufe die Möglichkeit geben, sich mit Problemen der Arbeitswelt, der Technik- und der Wirtschaftsentwicklung auseinander zusetzen ...
Wenn die KMK-Empfehlungen aus dem Jahre 1969 - die in ihren Grundzügen ja doch verbindlichen Charakter haben - aussagen, dass "Einsichten, Kenntnisse und Fertigkeiten im technisch-wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich" vermittelt werden sollen, "die heute notwendige Bestandteile der Grundbildung jeden Bürgers sind", können davon keine Schülergruppen (z. B. Gymnasiasten) ausgenommen werden. Denn auch sie haben ein "Vorverständnis einer arbeitsteiligen Wirtschaftswelt" nötig, in die sie später eingebunden sein werden. ...

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Aus Zur Bildenden Kunst in der DDR

1. Es hat in der Tat in der DDR , wie in allen osteuropäischen Ländern, Malerei gegeben, die sich einem kommunistischen Parteidogma von der positiven realsozialistischen Gesellschaft dienstbar gemacht hat .... Aber daneben und an dessen Stelle haben Künstler in der DDR im Laufe der 40 Jahre zunehmend eine Malerei entwickelt, die sich für realsozialistische Absichten der Verklärung des Arbeiter- und Bauernstaates nicht mehr instrumentalisieren ließ.
2. Die relevanten Hervorbringungen der bildenden Kunst der DDR haben die menschliche und gesellschaftliche Existenz, Geschichte, Umwelt und persönliche Daseins-Visionen höchst individuell dargestellt, häufig stark expressionistisch oder fast surrealistisch, oft allegorisch oder mythologisch verfremdet, selten optimistisch, oft skeptisch, kritisch, melancholisch, oft schwer deutbar, niemals aber als idealisierte Abbildung einer schönen sozialistischen Welt.
Die bedeutendere Malerei der DDR hat nicht nur die Programmatik des Sozialistischen Realismus hinter sich gelassen; . Sie hat sich zu einem höchst differenzierten, ausdrucksstarken, vor allem expressionistisch oder surrealistisch transformierten und reflektierten Realismus entwickelt. ...
Statt die ästhetische Erbschaft eines hochdifferenzierten, expressiven Realismus der DDR-Malerei auszuschlagen, statt sie zu liquidieren, sollte sie ernstgenommen, begrüßt und integriert werden als höchst fruchtbarer, ja geradezu: notwendiger - Gegenpol zur abstrakten, realität-losen Malerei in Westdeutschland.
Solche Schlußfolgerung führt zurück zu der Forderung Regine Hildebrands: "Mir will einfach nicht einleuchten, warum man nicht die Vorteile zweier Systeme miteinander verbinden kann, sondern statt dessen einem einzigen System den Vorzug gibt, das
neben vielen erfreulichen Vorteilen erhebliche Mängel aufweist".
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Zu "SERO": Mobilisierung der Bevölkerung für den Umweltschutz
Die Art, wie das Kombinat Sekundärrohstofferfassung (SERO) in der DDR Wertstoffe sammelte und der Wiederverwertung zuführte, war alles andere als "marode". Im Gegenteil: die Erfassung erfolgte über ein kombiniertes System aus Annahmestellen, Wertstoffcontainern und mobilen Sammelstationen. Ergänzt wurde das System um die gesellschaftlich organisierten Sammlungen und eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, so daß Sekundärrohstoffe in beachtlichem Umfang der Verwertung wieder zugeführt werden konnten. Entscheidend für die Würdigung des SERO-Erfassungssystem ist, welche Strategie beim Umgang mit Sekundärrohstoffen verfolgt wird. Wenn Vermeiden vor Verwerten, Verwerten vor Beseitigen gilt und nur beseitigt wird, was nicht verwertet werden kann, dann kann das SERO-Erfassungssystem tatsächlich als "optimale Form der Erfassung" und als erhaltenswert bezeichnet werden.
In Ostdeutschland gab es nach der Wende die Aussicht auf ein neues und ökologisches Projekt zur Abfallvermeidung bzw. -reduzierung. Die westdeutschen Müllunternehmen teilten jedoch den Kuchen "Abfallwirtschaft der DDR" schnell unter sich auf, zerstörten den Erhalt des SERO-Systems in den neuen Bundesländern und vertaten damit die Chance, von einem funktionierenden System für die gemeinsame Zukunft zu lernen.

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Aus Arbeitswelt als Lebenszentrum
Die Arbeitswelt wurde in der DDR weit mehr als in der Altbundesrepublik als ein Lebensmittelpunkt betrachtet und als solcher auch vom Staat - im Rahmen des Möglichen - ausgestattet. Was immer unterschlagen wird, wenn von der geringeren Rentabilität der DDR-Betriebe gesprochen wird: Diese resultierte nicht nur aus der weniger modernen technischen Ausrüstungen und Planungsfehlern, sondern auch aus den sozialen Aufgaben, die die DDR-Betriebe übernahmen.
In der DDR als einer "arbeiterlichen Gesellschaft" (Wolfgang Engel) waren die "Werktätigen" tatsächlich in einer starken, von der politischen Führung anerkannten und unterstützten Rolle - zumindest was ihre sozialen Bedürfnisse betraf. Es gab nicht wenige betriebliche Streikdrohungen gegen unzumutbare Vorgaben - die Führungskader taten alles, um es nicht zu der "Schande" kommen zu lassen, dass Arbeiter gegen ihren "sozialistischen" Arbeiterstaat streiken. Der Juni '53 durfte sich nie wiederholen!
Nicht zu übersehen ist trotzdem die Kluft zwischen den normativen Verlautbarungen und den realen Bedingungen. Petra Junghans demonstriert dies in einer Gegenüberstellung von gesetzlich fixierten Ansprüchen und den praktischen Erfahrungen. Dank ihrer relativ kurz nach der "Wende" durchgeführten repräsentativen Umfrage bei ostberliner Arbeitern können wir anstelle der weitverbreiteten Vorurteile zum ersten Mal über ziemlich verläßliche Fakten verfügen, was die soziale Situation und Mitwirkung in ostdeutschen Betrieben betrifft.

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Aus Von der LPG zur Agrargenossenschaft: Eine positive Entwicklung?
Die westeuropäische und speziell auch die westdeutsche Landwirtschaft befinden sich seit Jahrzehnten in einer Dauerkrise: Die Zahl der bäuerlichen Betriebe ist von 1989 bis 1999 um über 220 000 Höfe geschrumpft ... Urlaub, Aushilfe in Notfällen, Weiterbildung, Teilnahme am kulturellen Leben und ein menschenwürdiger Übergang in den Ruhestand sind für die meisten EinzelbauernFremdworte.
Die Alternative in dieser Situation ist ... die Umwandlung der Familienbetriebe in Agrargenossenschaften. ... Die Beschäftigten in Agrargenossenschaften sind Eigentümer und Arbeiter zugleich, und für die Grundentscheidungen besteht demokratische Mitbestimmung. Die Größe der Genossenschaften garantiert - im Gegensatz zu den Familienbetrieben - eine rationelle Nutzung des Maschinenparks ... Und die sozialen Bedingungen sind in den genossenschaftlichen Unternehmen naturgemäß bei weitem besser ...
Mit einem Wort: Es handelt sich bei den Agrargenossenschaften um ein durchaus aktuelles, zukunftsfähiges und vor allem humanes Konzept von Agrarwirtschaft, das eine Antwort darstellt auf die Krise der Familienbetriebe - und an dem die meisten Bauern in Ostdeutschland daher nach der "Wende" nicht ohne gute Gründe festgehalten haben, gegen erhebliche Liquidationsversuche konservativer westdeutscher Ideologen und Politiker.

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Aus Polikliniken in der DDR. Ein vorbildliches gesundheitspolitisches Modell
Die DDR hatte in 40 Jahren ein zukunftsfähiges, von der Bevölkerung mehrheitlich akzeptiertes, ambulantes Betreuungsmodell aufgebaut ... , das sich im ambulanten Bereich durch folgende Vorteile auszeichnete:
   1. Partiell institutionalisierte ärztliche Kooperation unterschiedlicher Disziplinen in zentralen Einrichtungen.
   2. Integration von medizinischer Versorgung, ambulanter Pflege und Gesundheits- und Sozialberatung mit    einheitlicher Verantwortung für die Finanzierung.
   3. ...
   4. Integration von Prophylaxe, Diagnostik und Therapie z.B. bei der Kinder- und Jugendzahnpflege und im
Betriebsgesundheitswesen. ...
Auch unter ökonomischen Gesichtspunkten boten diese Strukturen durch die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten und medizinisch-technischen Gerät, verlängerten Öffnungszeiten und gegenseitigen Vertretungen Vorteile.
... Die Chance pluralistischer ambulanter Versorgungsstrukturen wurde verspielt. Nur wenige westdeutsche Akteure, wie der Sozialpolitiker Rudolf Dressler (SPD) oder der Berliner Ärztekammerpräsident Ellis Huber, nutzten die Wende für substantielle Reformdebatten.
... Hinzu kam die ausbleibende politische Unterstützung der Einrichtungen durch Bundes-, Länder- und kommunale Ebene. ... Trotzdem führte vor allem die verbesserte Ausstattung des Gesundheitswesens in den ersten Jahren nach der Wende zu steigenden Zufriedenheitswerten der Bevölkerung in den neuen Bundesländern. Umfragen ergeben allerdings eine zunehmend differenzierte Beurteilung der Gesundheitsversorgung seit Mitte der neunziger Jahre. ... Das ehemalige ostdeutsche Gesundheitswesen wird inzwischen für das Überlegenere gehalten.
Trotz des Abwicklungsprozesses der Polikliniken ... gelang in Berlin und Brandenburg in begrenztem Umfang der Erhalt der Einrichtungen. Die brandenburgische Sozialministerin Regine Hildebrandt und ihr Ministeriums zeigten, welche Handlungsmöglichkeiten politischen Akteuren in einem der Selbstverwaltung unterstellten Politiksektor ... bleibt.
 

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