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Kommentar
Das Kulturmagazin "artour" des MDR kündigte mit folgendem Kommentar kurz vor der Leipziger Buchmesse 2002 eine Sendung über das Buch DIE DDR WAR ANDERS an:
"Die Lage ist ernst... Nicht nur dem Osten geht es schlecht. Der Sozialstaat dankt ab. Nun melden sich einige Wissenschaftler, zum Teil auch noch aus dem Westen, und sagen frech: So hätte das nicht kommen müssen. Man hätte mit dem Einigungsvertrag einige soziokulturelle Einrichtungen der DDR übernehmen sollen. Fortschrittlicher, sozialer und humanistischer seien sie gewesen. Aber die neue Geschichtsschreibung reduziert die DDR auf einen Schurkenstaat. Ist das der Anfang eines neuen Diskurses um die deutsche Geschichte?"
West- und ostdeutsche Wissenschaftler haben in der Tat etwas getan, was das bislang vorherrschende Geschichtsbild infragestellt. Die Autoren wollen zum Bewußtsein bringen: Dieses Sozialsystem ist mit dem Etikett "SED-Diktatur" nicht ausreichend beschrieben; denn es gab darin trotz der Diktatur eine beachtliche Anzahl humaner sozialkultureller Einrichtungen und Leistungen, die diese Gesellschaft mitgeprägt haben, oft sogar gegen die Absichten der SED-Führung. In diese Einrichtungen haben Millionen aktiver Bürger der DDR ihre Lebenskraft investiert. Die Autoren ermutigen die Ostdeutschen, sich selbstbewußter als bisher ihrer eigenen Geschichte zu versichern und einen Beitrag für gesellschaftliche Alternativen in der Bundesrepublik zu leisten.
Und sie treten auf gegen die "terribles simplificateurs", die schrecklichen Vereinfacher in der Zeitgeschichtsschreibung: Gegen die Reduzierung der DDR auf ein repressives Regime wird eine komplexere Sichtweise gesetzt.
Gleichzeitig zeigt sich, daß nicht wenige sozialkulturelle Einrichtungen der DDR Anregung und Vorbild auch für gesellschaftliche Alternativen zum westdeutschen Status quo sind. Ob das polytechnische Prinzip als Beitrag gegen die in der PISA-Studie beklagten Bildungsdefizite, die Polikliniken als möglicher Ausweg aus der Kostenfalle im Gesundheitswesen oder die Genossenschaften als Form leistungsfähiger, produzentenorientierter und demokratischer Wirtschaftsformen. All dies sind Belege für die These, dass die DDR anders war und nicht zu Pauschalurteilen taugt.